Sehr geehrter Herr Bilson,
ich antworte Ihnen auf Ihren Leserbrief, der am 2. Juni in der Landshuter Zeitung veröffentlicht wurde.
Mir scheint, dass die wahre Frustration eher auf Ihrer Seite liegt. Da Sie zwar als Kandidat der ULTi angetreten waren, aber nicht in den Gemeinderat gewählt wurden. Ist – mit Verlaub – meine rein persönliche Interpretation, die nicht stimmen muss.
Was Sie – ebenso wenig wie die ach so entrüstete aufgescheuchte Handvoll Gemeinderäte – nicht verstanden haben, ist das eigentliche Anliegen unserer Bürgerforums-Gemeinderätin Lisa-Marie Kapser. Es geht ihr nämlich nicht darum, demokratische Entscheidungen aushebeln zu wollen, sondern aufzuzeigen, wie diese zustande kommen. Es ist nämlich ein großer Unterschied, ob Abstimmungsergebnisse legal oder legitim sind. Und genau das ist der Punkt. Schauen Sie sich doch mal die echten Stimmen-Ergebnisse der Kommunalwahl an. Und vergleichen Sie diese mit den – von der Gemeinderats-Mehrheit völlig legal abgestimmten – Ergebnissen bei den Wahlen zu den Bürgermeistern und zu den Ausschuss-Vorsitzenden. Merken Sie was?
Sie verwechseln übrigens auch „unbegründete Behauptungen“ mit den nicht zu beanstandenden „persönlichen Wahrnehmungen“, die Frau Kapser genau als solche in ihrem Redebeitrag gekennzeichnet hat. Sie ist dabei nach allen heutzutage anerkannten Regeln guter Feedback-Kunst vorgegangen:
a) Beschreibung der persönlichen Wahrnehmung …
b) Unwiderlegbarer Beleg dieser Wahrnehmung durch mindestens ein geeignetes Beispiel …
c) Subjektive Wirkung auf mich …
d) Ich hätte mir gewünscht, dass …
Wenn Sie den von Ihnen kritisierten Redebeitrag nochmal Revue passieren lassen, dann werden Sie zwangsläufig zugeben müssen, dass Frau Kapser – inhaltlich völlig berechtigt – beschrieben hat, dass sie von einigen Gemeinderätinnen und -räten keinerlei Diskussions-Beiträge bei den wichtigen Punkten der zu beschließenden Geschäftsordnung wahrgenommen hat (ich kann diese Wahrnehmung als Zuhörer der konstituierenden Sitzung voll und ganz bestätigen). Sie hat daraus den persönlichen Schluss gezogen, dass entweder kein Interesse oder keine Vorbereitung vorliegen würde. Also eine persönliche Einschätzung. Keineswegs also eine „Keule“, wie Sie das martialisch beschreiben. Dass Sie das in Ihrem Leserbrief als „infamen und vor allen Dingen unbegründeten Angriff auf die alten und neuen Gemeinderäte“ beschreiben, ist von Ihnen sowohl inhaltlich als auch verbal nicht nur knapp an der Wahrheit vorbei bewertet, sondern meilenweit. Ich muss das beinahe schon als „Angriff“ (Ihre eigene Wortwahl!) auf die persönliche Meinungsfreiheit werten.
Aber das ist – glaube ich – genau der Punkt in Ihrem Leserbrief. Sie geben darin quasi eine „Handlungsempfehlung für neue Gemeinderätinnen und -räte“. Bei mir jedenfalls kommt die „tonale Färbung“ (wiederum Ihre eigene Wortwahl!) dieser „Bedienungsanleitung für Frischlinge“ folgendermaßen an :
– Mehrheitsentscheidungen dürfen für immer und ewig nicht in Frage gestellt werden
– Wählerwille darf außen vor bleiben
– Erst mal mit der Masse mit schwimmen und kuschen, still sein, abnicken
– Hinterfragen ist unerwünscht
– Kritik üben ist undemokratisch
– Erst mal das Rüstzeug des politischen Gebarens und Artikulierens lernen, bevor man vielleicht mal, irgendwann, in der fernen Zukunft, möglicherweise, mit Zustimmung der „alten Hasen“, …
Und das ist genau der Unterschied zur Intention von Gemeinderätin Kapser. Sie hat nämlich einen Mangel an Diskussionskultur thematisiert. Dass dies nicht auf Gegenliebe der „Entdeckten“ stößt, das liegt in der Natur der Sache. Kollektive Schnappatmung inklusive (ich kann als ehemaliges langjähriges Gemeinderats-Mitglied ein Lied davon singen, glauben Sie mir).
Frau Kapser daraus einen „hohen eigenen Machtanspruch“ (Ihre Worte, Herr Bilson) zu unterstellen, das halte ich für nicht nur abenteuerlich, sondern geradezu lächerlich. Welchen Machtanspruch meinen Sie? Etwa den Sitz in einem Rechnungsprüfungsausschuss? Wenn Sie tatsächlich dieses Amt meinen sollten (?), dann überschätzen Sie die Befugnisse und Einflussmöglichkeiten dieses Gremiums völlig (ich kann das aus meiner eigenen Zeit als Ausschuss-Mitglied beurteilen). Aber Halt: Andererseits scheint die „Regierungsmehrheit“ geradezu panische Angst davor zu haben, jemand aus der vermeintlichen „Opposition“ als Vorsitzenden zu bestimmen (siehe Ausführungen zur Ämter-Besetzung weiter oben). Da spielt die eigentliche Legitimation – ich nenne es „Wählerwille“ – keine Rolle.
Nein, Frau Kapser strebt gewiss nicht nach Macht. Vielmehr plädiert sie dafür, dass eine rege Diskussionskultur zu guten Entscheidungen führt. Und dafür, dass sich jeder bestmöglich auf die Themen der Sitzung vorbereiten sollte. Wenn immer nur einzelne etwas beizutragen haben, aber auch mit den Stimmen der „Schweiger“ überstimmt werden, dann führt das auf Dauer zu keinem guten Konsens und Miteinander. Vielleicht wäre es sogar eine gute Idee, eine Strichliste über die Anzahl der Wortmeldungen zu führen? Da lässt sich möglicherweise – inhaltliche Qualität der Redebeiträge vorausgesetzt – die „interessierte“ Spreu vom „schweigenden“ Weizen trennen. (Komisch, weshalb fällt mir jetzt gerade der Filmklassiker „Das Schweigen der Lämmer“ ein…?)
Herr Bilson, in Ihrem Leserbrief attestieren Sie unserer Gemeinderätin ein gewisses „Bemühen“, gleichzeitig sprechen Sie ihr jedoch den „Unwillen zu einer konstruktiven Zusammenarbeit im Gemeinderat“ ab. Ein starkes Stück!
Wer Fragen stellt, tatsächlich ein paar mehr als andere Gemeinderatsmitglieder, und seine persönlichen Wahrnehmungen äußert, der ist also unerwünscht, aha. Gut, beliebt macht man sich dadurch vielleicht nicht. Aber dass man danach in den vielzitierten Spiegel schauen kann, das hat doch auch was, oder?
Ich darf Ihnen zu Ihrer persönlichen Information zur Gemeindepolitik gerne noch an die Hand geben, dass das „Neue Bürgerforum“ im Jahr 2007 genau deshalb gegründet wurde, um im Gemeinderat Fragen stellen zu können. Fragen, auch kritische, die bisher nicht gestellt wurden. Deren Beantwortung aber wichtig ist, für die politische Meinungsbildung interessierter Gemeindebürger.
Und ich bin als Vorsitzender des Bürgerforums wirklich froh, dass wir mit unserer Gemeinderätin Lisa-Marie Kapser jemand haben, der diese gute Tradition weiterführt.
Erwähnen möchte ich zudem, dass wir in der Vergangenheit von einigen (zum Teil auch heute noch aktiven) Gemeinderätinnen und Gemeinderäten vertreten wurden, die sich unseren ursprünglichen Wurzeln nicht mehr verpflichtet fühlten und uns verlassen haben. Sie haben – wenn man es so ausdrücken möchte – das Lager gewechselt und gehören nun der Gruppe an, die einst auch von ihnen entsprechend kritisiert wurde.
An dieser Stelle möchte ich gerne Abraham Lincoln zitieren, der einmal sagte: „Gib einem Menschen Macht und Du erfährst seinen wahren Charakter“. Darüber sollte man nachdenken.
Und Andre Heller meinte einst: „Wer das Denken nicht attackieren kann, attackiert den Denkenden“. Darüber sollte man auch nachdenken.