Die 7 beim VG Regensburg anhängigen Klageverfahren gegen Abwassergebührenbescheide der Gemeinde Tiefenbach für die Jahre 2009, 2010 und 2011 wurden von den Prozessbeteiligten übereinstimmend für erledigt erklärt, nachdem die Gemeinde die Bescheide um jeweils 10% der Gebührensumme verringert hat.
Hintergrund hierfür war ein Fehler bei der Erstellung der Gebührenkalkulation. Die Gemeinde Tiefenbach hat insgesamt Herstellungsbeiträge von über 900.000 € (wohl zinslos) gestundet. Bereits diese Stundungspraxis sei sehr bedenklich, da das Gesetz hohe Anforderungen an solche Stundungen stelle, die vorliegend wohl nicht flächendeckend erfüllt waren, so der Rechtsanwalt der Kläger, Sebastian Heidorn (Fachanwalt für Verwaltungsrecht) von der Kanzlei Labbé und Partner in München.
Diese Stundungspraxis führt zu einer grundlegenden Ungerechtigkeit bei der Beitragserhebung. Während der Normalbürger die teils erheblichen fünfstelligen Beträge innerhalb von 4 Wochen bezahlen muss, werden Anderen diese Zahlungen faktisch erlassen. Offiziell wurden sie zwar nur gestundet, allerdings ließ die Gemeinde im Rahmen des Gerichtsverfahrens über ihre Anwältin ausrichten, dass die Gemeinde mit diesen Einnahmen nicht mehr rechnet – womit faktisch ein unzulässiger Beitragserlass zu Lasten der Gemeindekasse vorliegt.
Das Pikante an dieser Stundungspraxis ist zusätzlich, dass die Gemeinde nicht nur auf die Beiträge und die regelmäßig anfallenden Stundungszinsen verzichtet, sondern diese gestundeten Beiträge in der Gebührenkalkulation als offene Posten behandelt hat. Dieser wurde entsprechend verzinst in die Gebührenkalkulation eingestellt, so dass die Gebührenschuldner Jahr für Jahr insgesamt ca. 50.000€ zu viel an Abwassergebühren bezahlt haben – zugunsten der Gemeindekasse Tiefenbach. Ein weiterer Verstoß gegen kommunalrechtliche Grundsätze, denn eine Gemeinde darf die Abwasseranlage nicht zu Gewinnzwecken nutzen und muss Gebühren rechtmäßig kalkulieren.
Oliver Kapser vom Neuen Bürgerforum kritisiert die Gemeinde insbesondere deshalb, weil den Betroffenen und auch ihm als Gemeinderat stets die Einsicht in die Kalkulationsunterlagen verwehrt wurde. Erst im Widerspruchsverfahren wurde dem beauftragten RA Heidorn aus München ein Teil der Unterlagen offengelegt und zwar im Rathaus in Tiefenbach unter Anwesenheit des Geschäftsstellenleiters Radlmeier. Dieser stellte ausdrücklich klar, dass Kopien nicht angefertigt werden dürfen.
Nachdem sowohl die Gemeinde als auch das Landratsamt die eingelegten Widersprüche zurückgewiesen hatten, wurden sieben Klagen beim VG Regensburg erhoben und auch auf die unzureichende Gewährung der Akteneinsicht hingewiesen. Auf diesen Hinweis reagierte das Gericht prompt und ließ die Gemeinde per richterlichen Hinweis wissen, dass das Akteneinsichtsrecht des Anwalts im Gerichtsverfahren „vollumfänglich“ zu gewähren ist.
Bereits dies war der erste Erfolg der Klage, da nun endlich die Unterlagen vollends offengelegt und an die Kläger ausgehändigt wurden. Anhand dieser Unterlagen konnte der oben erwähnte Kalkulationsfehler schnell gefunden werden.
Die Kläger des Bürgerforums haben das Klageziel vollumfänglich erreicht. Eine Sonderbehandlung, etwa einen vollkommen Verzicht auf eine Gebührenerhebung, wollten die Kläger nicht, denn Abwassergebühren muss jeder bezahlen – allerdings in rechtmäßiger Höhe. Dies hat die Gemeinde auch eingesehen, insbesondere weil das Gericht in der Verfahrenskorrespondenz deutlich machte, dass die Kalkulation wohl fehlerhaft ist.
Daher schlugen die Kläger in Abstimmung mit ihrem Anwalt zur Abkürzung des Verfahrens vor, dass die Gemeinde die „übersehenen“ gestundeten Beiträge fiktiv in die Kalkulation einstellt und damit die Gebührenbescheide um 10% reduziert. Dieser Vorschlag wurde durch die Gemeinde angenommen, wobei diese freiwillig erklärt hat aufgrund der zu erwartenden Entscheidung in den Gerichtsverfahren die Kosten für Widerspruchs- und Klageverfahren zu übernehmen.
Das Einverständnis zu dieser Kostenregelung belegt, dass die Gemeinde – zu Recht – mit einer Totalniederlage vor Gericht gerechnet hat, so Klägeranwalt Heidorn. Dieser hatte im Jahre 2011 bereits zwei Klagen im Hinblick auf frühere Abwassergebührenbescheide gegen die Gemeinde gewonnen, damals wegen des bis zum Abrechnungszeitraum 2010 geltenden nichtigen Satzungsrechts.
Die Tragweite dieser Fehler ist enorm, so RA Heidorn. Jeder Widerspruch bzw. jede Klage gegen die Abwassergebührenbescheide z.B. aus den Jahren 2009 und 2010 wäre erfolgreich gewesen.
Einen faden Beigeschmack hat dieser Prozesserfolg für alle Bürger, die keine Rechtsbehelfe gegen die jahrelang rechtswidrigen Gebührenbescheide eingelegt haben. Diese muss und wird die Gemeinde nicht aufheben, auch wenn die Bürger jahrelang ca. 10% zu viel an Gebühren bezahlt haben.
Dennoch profitieren letztendlich alle Bürger Tiefenbachs von dem Klageverfahren: Rein „zufällig“ wurden nach Offenlegung der Stundungsproblematik die gestundeten Herstellungsbeiträge in die Gebührenkalkulation ab 2012 eingestellt, mit der Folge, dass sich die Gebühren deutlich – für jeden – reduziert haben.
Zur Abrundung sei darauf hingewiesen, dass dieser Beitrag nach dem Willen der Gemeinde hier nicht zu lesen wäre. Diese wollte noch kurz vor Toresschluss eine „Verschwiegenheitsverpflichtung“ in den Vergleich aufnehmen. Die Kläger waren hiermit natürlich nicht einverstanden und stellten Bürgermeister Strasser vor die Wahl: Entweder es gibt den Vergleich ohne Verschwiegenheitsverpflichtung, oder der Vergleich kommt nicht zustande und die Gemeinde steht zu ihren Gebühren am 04.12.2013 vor Gericht Rede und Antwort. Die Entscheidung der Gemeinde ist bekannt.